Stellungnahme der Elterninitiative zum Urteil gegen Hanna

Wir spiegeln hier die Stellungnahme der Eltern der um Budapest-Komplex Beschuldigten von kanu.me zum Urteil gegen Hanna vor dem OLG München am 29.09.2025:

Wir, die Elterninitiative gegen Auslieferung nach Ungarn, waren die ersten und lange auch die einzigen, die im Budapest-Komplex immer rechtsstaatliche und faire Verfahren hier in Deutschland gefordert haben. Mit dem Urteil gegen Hanna S. ist nun ein erstes Verfahren hier in Deutschland zu einem vorläufigen Ende gekommen. Auch wenn die Revision noch ansteht, ist es Zeit für eine vorläufige Stellungnahme.

Vom Generalbundesanwalt wurde lange bestritten, dass es überhaupt möglich ist, diese Verfahren hier in Deutschland zu führen. Erst nach 2 Jahren und erst nach der desaströsen und rechtswidrigen Auslieferung von Maja T. schloss sich der Generalbundesanwalt unserer Forderung an und verkündete, die Verfahren jetzt doch hier in Deutschland führen zu wollen. Obwohl es natürlich besser ist, später als nie zur richtigen Erkenntnis zu gelangen, war der Preis für 2 Jahre Ignoranz sehr hoch: Vor allem Maja muss völlig unnötigerweise seit über 15 Monaten unter unmenschlicher Isolationshaft, die nach internationalen Normen als Folter bezeichnet werden muss, leiden. Das Auswärtige Amt und Außenminister Wadepuhl werden in ihren Bemühungen, wenigstens minimale Verbesserungen der Haftbedingungen zu erreichen, vom antieuropäischen Autokraten Victor Orban kalt abserviert.

Weder das LKA Sachsen noch die verantwortliche Berliner Staatsanwältin mussten sich bisher für die rechtswidrige Auslieferung verantworten. Alles absehbare und von uns von Beginn an benannte Konsequenzen einer Auslieferung nach Ungarn. Und obwohl der GBA dieses Desaster maßgeblich mitzuverantworten hat, möchte er seine Fehler wiederholen und Zaid, einen in Deutschland aufgewachsenen jungen Mann mit syrischer Staatsbürgerschaft, auch noch nach Ungarn ausliefern lassen.

Wir können unsere Forderung nur immer wiederholen: Keine weiteren Auslieferungen nach Ungarn. Zaid muss hier in Deutschland bleiben. Aber auch für die anderen Beschuldigten ist eine Auslieferung bis jetzt nicht endgültig vom Tisch. Denn – und das ist ein weiterer kaum zu glaubender Fakt – bis heute ist nicht klar, welches Gericht überhaupt zuständig sein soll. Über zweieinhalb Jahre, um eine Zuständigkeitsfrage (nicht) zu klären? Ist das nur Unfähigkeit oder doch eher Kalkül, um die Beschuldigten und deren Familien im Unklaren zu lassen?

Das führt uns zum nächsten Punkt: die Drangsalierung und Einschüchterung der Familien. Wir sind alle keine Beschuldigten und sind über das Ausmaß und oft auch die Art der Ermittlungen empört und fassungslos. Hunderte (!) unbeteiligte Unschuldige waren in den vergangenen 2 Jahren teilweise über Monate von Überwachungsmaßnahmen durch das LKA Sachsen betroffen. Telekommunikationsüberwachung, Verwanzung von Autos, Beschattungen, falsche SMS und Herumschnüffeln im Hausmüll: Am Ende stehen dann Sätze wie „Mann mit Hund verlässt das Haus“ in aufgeblähten Akten. Die Stasi hätte es nicht mitreißender formulieren können.

Aber auch der Verfassungsschutzsprach etliche Familienmitglieder an und versuchte mit falschen Versprechungen („Wir können helfen“), sich teilweise sogar das Vertrauen von Minderjährigen zu ergaunern. Einige Hausdurchsuchungen durch das LKA Sachsen glichen eher einem Amoklauf als einer polizeilichen Maßnahme. Keine unserer Einsprüche gegen die Überwachungsmaßnahmen wurde bisher beantwortet. Nicht einmal eine Eingangsbestätigung haben wir erhalten.

Natürlich haben diese ganzen Maßnahmen, die den Steuerzahler viel Geld und uns das Vertrauen in den Rechtsstaat geraubt haben, überhaupt nichts gebracht. Denn wir sind Familie und keine kriminelle Organisation. Familien und Freunde, die zu zermürben sich der GBA offensichtlich vorgenommen hat: Die Entscheidung, das Verfahren am OLG in Düsseldorf zu führen (und damit möglichst weit von den Familien entfernt), ist da nur ein weiterer Baustein. 5–8 Stunden Anreise (+ Verzögerung, ob nun mit Bahn oder Auto) für 1–2 Stunden Besuch. Das ist die Menschlichkeit des GBA.

Doch jetzt zurück zum Urteil gegen Hanna S. Wir hatten rechtsstaatliche und faire Verfahren in Deutschland gefordert. Rechtstaatlich war das Verfahren. Fair war es sicher nicht. Hanna hat lange keine adäquate medizinische Behandlung in der Untersuchungshaft bekommen und die mediale Vorverurteilung hat offensichtlich auch bei den Richtern Spuren hinterlassen. Dass der Vorwurf des Mordversuches keine rechtliche Basis hatte, sondern ein rein taktisches Manöver des GBA war, konnte jeder Jurastudent durchschauen. Zusammen mit einigen Politikern und der rechten Presse ging es dem GBA eher darum, alles aufzubauschen. Da fiel dann auch immer mal das Wort Terrorismus.

Der Richter hat den absurden Anklagepunkt Mordversuch verneint, aber im Strafmaß für die gefährliche Körperverletzung, hat er sich dann schon von der aufgeheizten Stimmung beeinflussen lassen. Das wird besonders deutlich, wenn man z. B. das Urteil vom Thüringer Oberlandesgericht vom 01.07.2024im Knock-out-51-Prozess gegenübergestellt: Der Hauptangeklagte wurde wegen Gründung und Mitgliedschaft in einer inländischen kriminellen Vereinigung als Rädelsführer (§ 129 Abs. 1, 2 und 5 StGB), mehrfacher gefährlicher Körperverletzung (§ 223 Abs. 1, § 224 Abs. 1 StGB) und Verstößen gegen das Waffenrecht zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 10 Monaten verurteilt.

Nun ist das Umrechnen von Schuld in Jahre Knast genauso problematisch wie das Messen von Benzin in Metern, aber wer die Gruppierungen und ihre Mitglieder und Taten kennt, kann eigentlich nur noch verständnislos den Kopf schütteln. Wir hoffen also, dass in der Revision hier noch korrigierend eingegriffen wird und fordern den GBA auf, den Mordversuch in den anstehenden Verfahren zurückzunehmen und wieder zu einer sachlichen Klärung der Vorwürfe zu kommen.

Maja, Zaid, Hanna und alle anderen Beschuldigten werden wir weiter solidarisch unterstützen und wir kämpfen weiter gemeinsam für eine gewaltfreie Welt.