Schon mehrfach haben wir uns dazu geäußert, wie überzogen es ist, die Anklage gegen unsere Genoss*innen Clara, Paula, Emmi, Nele, Luca und Moritz vor einem Oberlandesgericht zu verhandeln. Das gleiche gilt für die Genoss*innen, die in Dresden angeklagt sind und ebenfalls vor einem OLG verhandelt werden sollen.
Vor Oberlandesgerichten werden Staatsschutz-Angelegenheiten verhandelt, also Straftaten, die die öffentliche Sicherheit oder die Staatsordnung gefährden, wie zum Beispiel Terrorismus. Dass vorgeworfene Angriffe auf Neonazis im Zuge eines internationalen Gedenken an SS und Wehrmacht die deutsche Ordnung oder öffentliche Sicherheit gefährden sollen, ist einerseits geschichtsvergessen, andererseits in aktuellen Zeiten ein Zeichen für die politische Verschiebung nach rechts.
In Dresden wird zeitgleich der Prozess gegen Susann E. stattfinden, die ehemals beste Freundin von Beate Zschäpe und eine Unterstützerin des NSU-Kerntrios. Dort werden also zeitgleich zwei Prozesse stattfinden: einer wegen Unterstützung des rassistischen und rechtsterroristischen Netzwerks NSU, die 10 Morde und mehrere Anschläge zu verantworten haben und einer wegen Körperverletzungen gegen Neonazis.
Besonders perfide wird es dadurch, dass neben dem Prozess gegen unsere Genoss*innen in Düsseldorf vor dem Staatsschutzsenat des OLG eigentlich auch ein Prozess gegen ausgemachte Rädelsführer der verbotenen Neonazi-Terrororganisation Combat18 hätte stattfinden sollen. Hätte sollen. Das Verfahren wurde anders als vom GBA beantragt nicht vor einem Staatsschutzsenat eröffnet. Im Gegensatz zum GBA habe das OLG Düsseldorf „die besondere Bedeutung der Gruppe und die ‚Strahlkraft von C18‘ nicht gesehen“ – wie eine Mitarbeiterin des GBA im Oktober als Zeugin vor dem NSU-Untersuchungsausschuss in Mecklenburg-Vorpommern aussagte. Schließlich wurde das Verfahren im Juni diesen Jahres vor dem Landgericht Dortmund eröffnet.
Im Jahr 2000 wurde Blood & Honour in Deutschland verboten, Combat18 als militanter Arm von B&H nicht. Im NSU-Komplex nahm C18 eine wichtige Rolle im weitläufigen Unterstützungsnetzwerk ein. Nicht nur war C18 während der politischen Sozialisation des NSU-Kerntrios sowie während und nach der Mordserie besonders aktiv, C18 hatte auch direkten Einfluss auf Mitglieder des NSU-Netzwerks. Wenige Monate nach der Selbstenttarnung des NSU fand eine Reunion von C18 statt, wie eine Exif Recherche aufdeckte. Verboten wurde Combat18 erst im Jahr 2020. Dennoch trafen sich die nun vor dem Landgericht Dortmund Angeklagten weiterhin und hielten so mutmaßlich das militant-faschistische Netzwerk C18 aufrecht – weshalb ihnen nun der Prozess gemacht wird.
Daran lässt sich ablesen: Die angeklagten Antifas in Düsseldorf und Dresden werden auf eine Stufe mit einer zentralen Unterstützerin der größten rechtsterroristischen und rassistischen Mordserie der BRD seit 1945 gestellt. Gleichzeitig werden sie als für die Sicherheit und Ordnung der BRD gefährlicher gehalten als die sogenannten Rädelsführer von Combat18, die ihre Vereinigung auch nach dem Verbot aufrecht erhielten.
Die gesetzlichen Regelungen rund um die Strafverfolgung von Gruppierungen und Delikten, die eine besondere Bedeutung für die Sicherheit der BRD haben, sind als Lehren des Staates aus der Aufarbeitung des NSU-Komplexes verschärft worden. Das Ziel war, RECHTSterroristische Bedrohungen und Bestrebungen schneller und effektiver verhindern und eindämmen zu können. Nun werden diese Regelungen bei einer bereits verbotenen militant-faschistischen Vereinigung nicht angewandt. Stattdessen werden damit junge Antifaschist*innen verfolgt.
Das tritt jedes Aufklärungsversprechen hinsichtlich des NSU, jeden Versuch, aus dem NSU und seiner Mordserie zu lernen, mit Füßen. Stattdessen zeigt das nochmal besonders deutlich: Im Kampf gegen Nazis kann man sich auf den Staat nicht verlassen. Militanter Antifaschismus ist und bleibt notwendig!
