Antifa-Ost als Terrororganisation?! Eskalation rechter Narrative

Noch vor vollständiger Aufklärung des Attentats auf den Rechtspopulisten Kirk, nutzte Trump den Fall zur Instrumentalisierung gegen links. In diesem Zuge ließ die US-Regierung  „die Antifa“ im September diesen Jahres als inländische Terrororganisation einstufen. So weit, so absurd. 

Nun folgte eine weitere Eskalation. Am Donnerstag dem 13.11. teilte das US – Department of State mit, „Antifa Ost“ zusammen mit drei linken Gruppierungen aus Griechenland und Italien fortan als „Transnational Terrorist Group” (SDGT – Specially Designated Global Terrorist Organisation) zu listen. Ab dem 20.11. stehen damit ‚Informal Anarchist Federation‘, ‚Armed Proletarian Justice‘, ‚Revolutionary Class Self-Defense‘ und eben auch die in bislang v.a. in Deutschland und Ungarn verfolgten Genoss:innen aus dem Antifa-Ost und Budapest Verfahren auf der Liste der ausländischen Terrororganisationen der USA. Getreu der Realitätsverweigerung arbeitet der US-amerikanische Staat vorzugsweise auch mit dem Springerpresse-Wording der sogenannten „Hammerbande“. 

Zwischen den nun neu gelisteten linken Gruppierungen wird weder in inhaltlicher Ausrichtung noch vorgeworfener Praxis differenziert – allen wird eine antikapitalistische, marxistische, anarchistische, antiamerikanische und antichristliche Haltung vorgeworfen und daraus der Schluss gezogen, sie gehören weltweit aufs Schärfste bekämpft. Diese Inszenierung verschiedener linker und emanzipatorischer Kämpfe als (realistische) terroristische Bedrohung ist nicht nur geschichtsvergessen und realitätsfern – sie hat konkrete Auswirkungen auf die Beschuldigten und Bewegung als Ganze.

Was folgt nun für die Beschuldigten und deren Unterstützer*innen?

Da bislang keine konkreten Mitgliedsnamen auf der Terrorliste stehen, sondern nur die vermeintliche Vereinigung (dies kann sich in den nächsten Monaten noch ändern) laufen erstmal alle Gefahr, die auf irgendeine Art mit dem Verfahren assoziiert werden von den unterschiedlichen Auswirkungen betroffen zu sein. 

„Offen ist auch, wie konkrete Namen auf die Liste kommen sollten, denn das würde voraussetzen, dass die US-Regierung Zugriff entweder auf Akten in Strafverfahren bekäme, oder deutsche Regierungsstellen oder Sicherheitsbehörden, den USA entsprechende Daten zuliefern. Ob der US-Administration auch bloße namentliche Erwähnung von Menschen in der Presse, die „Antifa-Ost“ zugerechnet werden, genügen würde, kann momentan nicht sicher beurteilt werden.“ https://de.indymedia.org/node/552350)

Zu den konkreten Auswirkungen zählen Einreiseverbot in die USA und das Einfrieren aller Vermögen bei US – Diensten (wie PayPal oder Kreditkarten). Weiter ist es für US-Bürger:innen untersagt die durch Behörden konstruierte Antifa-Ost Vereinigung, bzw. die Solidaritätskampagnen zu unterstützen, also bspw. auf Spendenkonten zu überweisen oder sich in Texten offen zu solidarisieren. Fortan gilt das als Unterstützung einer terroristischer Organisation. 

Zudem liefert die neue Einstufung weitere Überwachungsmöglichkeiten von einem Staat mit umfassenden Abhörmitteln, insbesondere durch die NSA. Es bleibt abzuwarten, in wie weit Repressionsbehörden staatsübergreifend mit den USA zusammenarbeiten werden. Die Snowden-Files haben jedoch schon gezeigt, dass im Namen des „Kampfs gegen den Terror“ nationale Gesetze zum Schutz der Privatsphäre überschritten wurde. 

Darüber hinaus laufen all jene Gefahr, die sich mit den Beschuldigten innerhalb dieser Eskalation rechter Narrative solidarisch zeigen, sich als Terror-Unterstützer:innen strafbar zu machen und diffamiert zu werden. Das trifft in erster Linie Einzelpersonen wie auch Soligruppen und (schließlich) die ganze Bewegung.   Auch darüber hinaus wird sich die Verschiebung des Sicherheitsdiskurses auswirken, wie beispielsweise das staatliche Vorgehen durch ICE gegen die US-Bevölkerung aktuell zeigt.

Entwicklungen in Ungarn & Europa

In dieser Entwicklung wird auch das Zusammenspiel rechter Autokraten in Europa und darüber hinaus deutlich. In der Einstufung der antifaschistischen Bewegung als Terrorgruppe lieferten sich Trump und Orban gegenseitige Inspiration. Auch Ungarn hatte „die Antifa“ und explizit Antifa Ost auf die nationale schwarze Liste gesetzt und damit als Terrororganisation eingestuft.

Darin werden nicht nur die Auseinandersetzungen mit Faschist:innen in Budapest vor mehr als zwei Jahren aufgeführt, sondern explizit auch Protestaktionen, die in Frankreich, Belgien oder anderen europäischen Ländern vor ungarischen Konsulaten oder Botschaften stattgefunden haben. Dadurch befürchten die in Budapest vor Gericht Stehenden und nun plötzlich potenzielle Mitglieder einer Terrororganisation deutlich höhere Strafmaße. Aber auch jene, die seit Wochen regelmäßig lange Fahrten und Bedrohung und Erniedrigung durch Nazis und Bullen in und vor dem Budapester Stadtgericht aufsich nehmen gelten nun als Terrorunterstützer:innen und laufen Gefahr selber Repression zu erfahren. Welche Maßnahmen daraus konkret resultieren – bspw. Abschiebungen oder direkte Abweisungen an der Grenze – werden die kommenden Monate zeigen.

Auch in Frankreich wird die Kriminalisierung der linken Bewegung durch eine strategische Gleichsetzung mit terroristischen Gruppen vorangetrieben. In Anschuldigungen gegen Aktivist:innen im Kontext der Palästina-Proteste lässt sich ein Wandel feststellen, in welchem öfter der Vorwurf der terroristischen Propaganda erhoben wird. Ähnlich wurde in Großbritannien im Juli 25 die Gruppe ‚Palestine Action‘ als terroristisch eingestuft, nachdem Mitglieder dieser auf einem Militärflughafen Flugzeuge beschädigt haben sollen. 

Die französiche Anti-Terrorismus Einheit der Polizei (SDAT) – eine Einheit mit erhöhten Ressourcen, extra Schulungen in Überwachung und Ermittlung und umfassenderen Befugnissen, wie zB. einer verlängerten U-Haft – hat die Ermittlungen gegen Aktionen von Umweltschützer:innen wie die in Lafarge im Dezember 2022 geführt, als auch den im Budapest-Komplex beschuldigten Gino im November 2024 festgenommen. 

Und was geht in Deutschland?

Dass Deutschland den USA oder Ungarn in deren Einstufung folgt, ist unwahrscheinlich. Selbst der Verfassungsschutz hält fest, dass die Antifa-Bewegung über keine feste Organisationsstruktur verfügt und das Label „Antifa“ von unterschiedlichsten Zusammenhängen genutzt wird.

Trotzdem lässt sich auch hier ein Versuch rechter Akteur:innen beobachten, antifaschistische Zusammenhänge medial als Gefahr zu inszenieren. So wurden ab Februar ’23 Vergleiche zwischen den im Budapest-Komplex beschuldigten Genoss:innen und RAF gezogen und die Gefährdung einer staatlichen Sicherheit herbeifantasiert. Inwiefern diese aufgebauschten Vorwürfe von Angriffen auf Nazis wirklich die öffentliche oder staatliche Sicherheit in Frage stellen sollen, bleibt dabei ungeklärt. 

Presse und staatliche Behörden werfen sich in diesem Spiel die Bälle zu. Dass die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen an sich gezogen hat, macht die Vorwürfe zu einer Sache der Staatssicherheit. Auch, dass der Fall nicht wie andere Körperverletzungen am Amtsgericht ausgetragen wird, sondern am Oberlandesgericht in speziellen Hochsicherheitsräumen, zeigt die politische Agenda der GBA. Und nicht zuletzt versucht diese immer wieder (entgegen jeder Evidenz) den Vorwurf des versuchten Mordes zu erheben und trägt damit aktiv zu einer stilisierten und diffamierenden gesellschaftlichen Wahrnehmung der Beschuldigten und den ihnen vorgeworfenen Taten bei. Die Prozesse in Düsseldorf und Dresden sind damit klar als politische Prozesse zu verstehen, die dieses Ziel verfolgen und deren Auswirkungen folglich über die Angeklagten hinaus geht. 

Insbesondere in Deutschland – einem Land, in dem der Faschismus nachwievor strukturell verankert ist und welches eigentlich die historische Verantwortung tragen müsste, Lehren aus dem Nationalsozialismus zu ziehen – insbesondere hier ist die Verfolgung von Antifaschist*innen, die sich dieser Kontinuität selbstvewusst entgegenstellen, schwer zu ertragen und nicht weniger als ein geschichtlicher und politischer Skandal. 

Fazit

Die Entscheidung für eine politische Praxis, welche das staatliche Gewaltmonopol aktiv infrage stellt, bedeutet natürlich ein Bewusstsein und auch eine Inkaufnahme staatlicher Repressionen. In der derzeitigen Entwicklung geht es aber nicht um Strafen für Körperverletzungen, die tatsächlich im Antifa-Ost und Budapest Verfahren vorgeworfen werden – hier geht es um die taktierte Bekämpfung jeglicher Strukturen, die antifaschistisch gegen das Erstarken rechter Kräfte kämpfen. 

International wird versucht je nach politischer Lage auf verschiedene Art und Weise (militanten) Antifaschismus als nationale Bedrohung zu diffamieren und zu bekämpfen. Dabei scheint sich die Gleichsetzung mit islamistischen Terrorgruppen zunehmend als nützliches Mittel zu erweisen, die Repression zu rechtfertigen und antifaschistische Strukturen aktiv zu isolieren. Die konstruierte Vereinigung in Antifa-Ost/Budapest-Komplex wächst dabei zum Paradebeispiel rechter Akteure, um die gesamte antifaschistische Bewegung zu delegitimieren und den Diskurs weiter zu verschieben. 

Damit sind die Entwicklungen rund um diese großen Verfahren als Einschnitt zu verstehen, der nicht nur unmittelbar auf das Leben der Beschuldigten und ihre Umfelder wirkt, sondern auf die Bewegung als Ganzes. Die rechten Narrative einer linken Terrorbedrohung zu bekämpfen sollte damit nicht nur ein Anliegen jener sein, die die konkreten Beschuldigten unterstützen, sondern aller, die für antifaschistischen Widerstand in diesen Zeiten von Bedeutung ist. 

Antifaschismus lässt sich weder verbieten noch in Knästen einsperren – er ist  politischer Grundpfeiler einer Welt, die keine Unterdrückung, Ausbeutung und Herrschaft kennt. 

Für widerständiges, kritisches und revolutionäres Denken und Handeln. Für eine breite Solidarität und einen wehrhaften Antifaschismus! 

Make Antifa Great Again