Postkontrolle, Disziplinarverfahren, Kantinenarbeit – Ein Blick hinter die Mauern

Aktuelle Informationen zu den U-Haft-Bedingungen der inhaftierten Antifaschist:innen 

[Stand September 2025]

Seit sechs bis acht Monaten befinden sich jene Antifaschist:innen in Untersuchungshaft, die sich Anfang des Jahres den Ermittlungsbehörden gestellt haben – nachdem diese zuvor fast zwei Jahre lang vergeblich versucht hatten, sie ausfindig zu machen. Seit dem finden regelmäßig Solidaritätskundgebungen vor verschiedensten Justizvollzugsanstalten in Deutschland statt, von überall trudeln Briefe ein und hin und wieder knallen bunte Raketen in die Nacht – ein kurzer Schrecken für die Beamten; ein dickes Grinsen für unsere Leute. Nun naht der Prozessbeginn in den Oberlandesgerichten von Dresden und Düsseldorf. Durch die Wahl des letzteren stehen Verlegungen für Paula, Nele, Emmi, Moritz und Clara in Haftanstallten in den Ruhrpott an, welche die Gefangenen drinnen aus ihren Routinen, spärlich eingerichteten Zellen und sozialen Kreisen reißen und draußen die Anreisezeit für besuchende Familien und Freund:innen auf bis zu 8 Stunden (ein Weg!) verlängern. 

Wir haben die Gefangenen und ihre Unterstützungsgruppen gebeten zu beschreiben, wie der aktuelle Stand ihrer Bedingungen in U-Haft ist. Knast funktioniert als System auch dadurch so gut, dass er eine BlackBox darstellt, die einerseits die Menschen in Haft von ihrer Außenwelt abschirmt und andererseits die Menschen draußen nicht so genau wissen lässt, was drinnen eigentlich wie passiert. Vorab – bei all der Scheiße, Sinnlosigkeit, Ohnmacht und Gewalt, die die antifaschistischen Gefangenen tagtäglich in Haft zu spüren bekommen, sei erwähnt, dass ein so großes solidarisches Netzwerk und weitgehende finanzielle Absicherung eine absolute Ausnahme im deutschen Knastsystem darstellen. Die meisten Menschen in deutscher Haft haben viel seltener die Möglichkeit so große Unterstützung von draußen zu spüren, über alle möglichen Anträge und Tricks im Knast informiert zu werden, erfahren zusätzlichen Rassismus und/oder bringen eigene Gewalterfahrungen mit, an deren therapeutische Aufarbeitung im Knast nicht zu denken ist. Um diese BlackBox Knast ein bisschen durchsichtiger zu machen, um ein genaueres Bild von Haftalltag zu zeichnen – mit all seinen Unterschieden je nach Person, Anstalt oder Bundesland –  haben wir Neles, Emmis, Moritz, Lucas und auch Nanuks Haftbedingungen im Folgenden zusammengetragen. Danke an die Haftunterstützungsgruppen, solidarischen Anwält:innen, Familien und Freund:innen für ihre unermüdliche Arbeit!

Luca

Luca sitzt seit Ende Januar 2025 in der JVA Bielefeld-Brackwede in Untersuchungshaft. Seit Frühjahr hat sie einen Job in der Kantine für die Bediensteten, wo sie für den Nachtisch zuständig ist. Dies hilft ihr sehr, den Alltag zu gestalten und eine halbwegs angenehme Routine zu entwickeln. Dennoch gibt es in der JVA einige Missstände. 

Besonders belastend für Luca ist der Umgang mit Besuchen, Post und Zeitungen. Insofern gelten für Luca Sonderregeln, die für alle anderen Gefangen nicht gelten. Sämtliche Kommunikation mit der Außenwelt läuft in ihrem Fall über die Sicherheitsabteilung und den Sicherheitsbeauftragen der JVA. Nur wenn dieser da ist – was leider selten der Fall ist – werden Besuchstermine abgesprochen oder eben auch nicht abgesprochen oder ausgemachte Besuchs- oder Telefontermine abgesagt. Auch werden Briefe und Zeitungen und Zeitschriften nur weitergeleitet, wenn sie vorher von der Abteilung Sicherheit gelesen wurden. Die Sicherheitsabteilung lässt es sich nicht nehmen, das Neue Deutschland auf verbotenen Inhalt zu kontrollieren. Was dort Gefährliches drinstehen soll, bleibt im Dunkeln. Deshalb bekommt Luca meistens nur einmal in der Woche Briefe und auch die Zeitungen bekommt sie nur total unregelmäßig.  Der Kontrollwahn der JVA zeigt sich also insbesondere darin, dass die Zeitungen und alle Briefe von Luca, die bereits vorher schon von dem Gericht kontrolliert worden waren, auch in der JVA noch einmal gelesen werden. Der letzte Rest Privatsphäre in dem Gefängnis wird ihr so genommen, wenn der Sicherheitsbeauftragte alles weiß, was sie schreibt und ihr geschrieben wird. 

Was für alle weiblichen Gefangenen besonders unangenehm ist, dass es eine Ungleichbehandlung mit den männlichen Gefangenen gibt. Diese haben viel mehr Freizeit und Ausbildungsangebote und dürfen z.B. im Freien auf dem Hof Fußball spielen und haben draußen eine Tischtennisplatte, Basketballkorb, Volleyballfeld. Den weiblichen Inhaftierten wurde dies, obwohl sie darum gekämpft haben, bisher versagt. Luca und die andere dürfen nur in einer kleinen Halle beim wöchentlichen Gemeinschaftssport Fußball spielen und den kleinen Sportraum nutzen. 

Ansonsten gilt für alle Gefangen, dass der Aufschluss auf der Station lediglich einmal pro Woche stattfindet und es zum Teil sogar ganz zum Wegfall des Aufschlusses kommt. Ebenso kann auch eine gemeinsame Küche genutzt werden. Wird diese aber nicht in erwünschtem Zustand hinterlassen, erfolgt eine Kollektiv-Strafe für alle und die Küche wird vorerst verschlossen. Zudem sind stets schriftliche Anträge für die einfachsten alltäglichen Anliegen notwendig, zum Teil müssen sie jeden Tag erneut gestellt werden, da nie klar ist, ob ein Antrag angekommen ist und wann über ihn entschieden wird. Es kann Wochen dauern, bis eine Antwort erfolgt oder zum Teil bleibt sie ganz aus. Diese Willkür im Umgang mit Anträgen ist ein Teil des Herrschaftssystems Knast.

Nele

Nele sitzt seit Januar 2025 in der JVA Chemnitz. Sie ist insgesamt stabil und kommt gut mit der Haftzeit zurecht. Die Bedingungen in der JVA Chemnitz sind im Vergleich zu anderen Haftanstalten relativ gut. So kann sie dort regelmäßig Sport machen, darunter Kraftsport, Ausdauersport und Aerobic. Zusätzlich hat sie alle zwei Wochen eine zweistündige Kunsttherapie (Linoldruck), die sie als sehr positiv empfindet. Sie absolviert eine einjährige Ausbildung zur Schreinerin, die in Modulen anerkannt werden kann und arbeitet täglich 6-7 Stunden. Zusätzlich hat sie täglich drei bis vier Stunden Aufschluss und kann mit anderen Gefangenen gemeinsam kochen und essen. Außerdem hat sie täglich eine Stunde Hofgang. 

Neles Zelle ist ziemlich dunkel, was sie stark belastet, da sie viel schreibt und zeichnet. Sie kann nur direkt auf die Mauer gucken, anstatt in die fernere Umgebung oder auf Bäume etc. Ein Umzug in eine hellere Zelle wurde bislang nicht genehmigt. Sie hat einen Fernseher, ein Radio und einige bestellte Bücher oder CDs.

Nele hat monatlich 4 Stunden Besuch (mit bis zu 3 Personen) und 4 Telefonate von je 30 Minuten. Die Besuchsräume sind angenehm, hell und nicht zu klein, wobei ein Beamter des LKA anwesend ist, jedoch keine weiteren JVA-Beamten. Umarmungen sind kein Problem. 

Die Gesundheitsversorgung funktioniert nur teilweise. Sie kann manchmal langsam sein, und es dauert länger, einen Facharzttermin zu bekommen oder die entsprechende Therapie.

Emmi 

Emmi wurde mittlerweile ohne Vorankündigung in die JVA Dinslaken verlegt. Hier findet ihr den Text ihrer Soligruppe: https://www.basc.news/verleng-von-emmi-nach-nrw/. Im Folgenden wird von ihrer Zeit in Luckau – Duben berichtet. 

Vorweg: Emmi geht es immer noch sehr gut, sie ist trotz schwieriger Umstände guter Dinge, hat bei Besuchen immer gute Laune und ihr hat vor allem die letzte Knast-Kundgebung sehr gut getan!

Emmi ist seit ihrer Selbststellung im März 25 in der JVA Luckau-Duben inhaftiert. Die allgemeinen Haftbedingungen haben sich nicht verändert (s. erstes Update aus April 25: https://www.basc.news/update-zu-emmis-haftsituation/). Sie kann immer noch keine Ausbildung anfangen und ein Studium wurde ihr von Seiten der Anstalt bisher verwehrt. Ein kleiner Lichtblick: Die JVA scheint doch ein analoges Fernstudium zulassen zu können. Bleibt abzuwarten wie es mit dieser Zusicherung weitergeht. Emmi hat eigentlich 1,5 h Aufschluss am Tag und 1 h Hofgang, mangels Ausbildung, Studium oder Arbeit muss sie den Rest der Zeit allein in der Zelle verbringen.

Sie bekommt viel Post und schreibt viele Briefe, wobei dabei deutlich wurde, dass sich der Ton und auch das Verhalten der JVA Angestellten ihr gegenüber verändert haben. Ständig wurden ihr vermeintlich „extremistische Inhalte“ (Antifa Logo, Free Emmi Sprüche etc.) nicht ausgehändigt oder wieder weggenommen. Dabei fiel auf, dass andere politische Inhalte, wie zB das Hakenkreuz-Tattoo einer Mitgefangenen oder rechte Symbole auf den Wänden der JVA niemanden weiter zu stören scheinen. 

Seitdem sich die Zuständigkeit ihrer Post-Ausgabe verändert hat, hat auch die JVA erkannt, dass das Zurückhalten von politischen Inhalten rechtswidrig ist. Ihr wurden nun viele zurückgehaltene Briefe nachträglich ausgehändigt.

Emmi hat auf dem Hof ein paar Freundinnen, mit denen sie gerne Zeit verbringt, aber sie berichtet auch immer wieder von hoher Fluktuation in der sowieso schon kleinen Frauenabteilung der JVA. 

Aktuell hat Emmi ein Disziplinarverfahren am Hals, da sie sich über die Einkaufsliste in einer JVA in NRW informieren wollte. Dafür hat sie für eine andere Gefangene (mit Kontakten dorthin) mit schlechten Deutschkenntnisse einen Brief formuliert. Dies wurde ihr als Umgehung der Postkontrolle ausgelegt. Außerdem soll sie an eine Mitgefangene ihr Shampoo ausgeliehen haben. Diese Strafe bedeutet für sie Streichung aller sozialen Aktivitäten (Sport, Aufschluss, Gottesdienst, Hofgang mit anderen etc). Zusätzlich sind der Gottesdienst und das Sport Angebot aufgrund von Personalmangel bis Ende des Jahres gestrichen. Trotz dieser massiven Schikane lässt Emmi sich nicht unterkriegen!  

Mit dem kommenden Prozess wird Emmi in eine JVA in NRW verlegt. Ob eine Verlegung die Haftbedingungen für Emmi verbessert oder weiter verschlechtert, bleibt abzuwarten.

Moritz

Moritz sitzt seit seiner Selbststellung im Januar 2025 in der Jugendstrafanstalt Regis-Breitingen in Sachsen. Ihm war es zunächst nicht möglich eine Ausbildung  dort aufzunehmen. Erst im April konnte Moritz seine Ausbildung im Bereich Lager/Logistik beginnen. 

Er nimmt an Kunsttherapie und Entspannungskursen teil und hat eine Tischtennis und Volleyball AG initiiert. Moritz hat 2-3h Aufschluss plus eine Stunde Hofgang am Tag.

Bei Soli-Kundgebungen wird sein Hofgang durch die JSA verlegt. Moritz gesamte Post kommt nicht im Original an sondern wird durch das Personal als Kopie ausgehändigt – auch Fotos und Briefmarken. Diese können folglich nur als Online Code zu gesendet werden. Moritz bekommt von der JSA nicht mehr seine Zeitungen zugestellt, mit der Begründung er müsse sie selber bezahlen. 

Seine Besuchszeiten sind 4 x 2 Stunden im Monat und seine Telefonzeiten 6 x 30min im Monat. Ob Besuche wie vorgesehen stattfinden können hängt auch am LKA Sachsen, die bei jedem Besuch mit im Raum sitzen und jedes Telefonat mithören – im Mai konnten aufgrund von Personalmangel weniger Besucht und Telefonate stattfinden. Das LKA kam auch schon mal über eine Stunde später oder verlegt spontan die Telefonate. 

Auch die Gesundheitsvorsorge in Regis-Breitingen funktioniert nicht ohneweiteres, ärztliche Behandlungen sind oft ungenügend. So wurde Moritz  unterstellt Drogen genommen zu haben, als er starkes Fieber hatte und es wurde nicht ernstgenommen, dass er krank ist. Moritz beklagte sich außerdem über teils mangelnde hygienische Zustände – u.a. in Form von Käfern im Essen. 

Moritz wird bevor der Prozess in Düsseldorf 2026 losgeht verlegt. Er wird in die einzige JSA in der Gegend verlegt – nach Hainsberg. Um von Leipzig aus dorthin zu kommen braucht die Familie und Angehörige 8,5h mit der Bahn. 

Nanuk

Am 21. Oktober 2024 wurde Nanuk von Zielfahndern des LKAs Sachsen in Berlin festgenommen. Seitdem sitzt er in U-Haft in der JVA Moabit. Nanuk ist beschuldigt Teil des Antifa-Ost-Komplexes zu sein.

Die ersten 24 Stunden nach der Verhaftung musste Nanuk in Hand- und Fußfesseln verbringen. Bis Anfang Dezember hatte er hohe Sicherheitsbeschränkungen auferlegt bekommen, die erst in langsamen Schritten gelockert wurden. Im Anstaltsprozedere wird das durch ein stigmatisierendes Punktesystem an der Zellentür ausgedrückt, so hat er unter anderem einen grünen Punkt für „potenziell gewalttätig“. Damit es auch der letzte Wärter versteht, wurde die Zellentür zusätzlich mit der Anweisung „zu zweit öffnen“ und „Hand-zu-Hand übergeben“ versehen. Die Konsequenzen der vielen Punkte und Schilder sind weitreichend. Ganz konkret bedeutete das pro Tag 22 Stunden Einschluss, 2 Stunden gemeinschaftlicher Hofgang, aber keinen Aufschluss.

Nanuk darf 2 mal im Monat Besuch bekommen, maximal 3 Leute, für eine Stunde. Die Besuche werden von LKA und JVA-Mitarbeiter beobachtet. Ein regelmäßiges wöchentlihes Telefonat mit der Familie passiert auch unter LKA überwachung.

Seit Ende September darf Nanuk in der Buchbinderei der JVA Moabit arbeiten. Es war Nanuks Wunsch, während seiner Haftzeit eine Arbeit zu haben, doch die Abteilung Sicherheit der JVA hat das lange verhindert .

Die Arbeit bedeutete für Nanuk erstmal eine Verlegung auf eine neuen Station und, nach fast einem Jahr U-Haft mitunter das wichtigste, Aufschluss. Nach 11 Monaten mit 22 Stunden Einschluss am Tag ist das für ihn eine Verbesserung der Haftsituation. Während den Sommermonaten fielen wegen Urlaub und Personalmangel sehr viele der Freizeitaktivitäten aus und die Sporteinheiten auf dem Hof passieren wenn überhaupt eher unregelmäßig als regelmäßig. 

Nanuk berichtet weiterhin sehr positiv über seine Haftzeit in Moabit. Die Solidarität unter den Gefangenen ist sehr groß, die Hofzeit wird genutzt um sich gegenseitig mit Anträgen und bürokratischem Irrsinn zu helfen. Was sich seit Anfang der Haftzeit durchzieht ist, dass jeder Antrag mehrmals gestellt werden muss, weil die meisten „verloren“ gehen, ignoriert werden und nur ein ständiges Beharren dazu führt, dass Anträge überhaupt bearbeitet werden. Nanuks Briefe berichten viel von den alltäglichen Schikanen, denen die Gefangenen ausgesetzt sind, er berichtet auch über Selbstverletzungen oder auch versuchte Selbstmorde und Brände in der Anstalt. Die gemeinsamen Momente werden dafür genutzt sich darüber auszutauschen und sich gegenseitig zu stärken. Nachdem das OLG Dresden die Zuständigkeit für den Fall angenommen hat, läuft es mit der Post auch viel besser. Die Postkontrolle dauert circa 2 Wochen.

Es ist noch nicht bestätigt, aber sehr wahrscheinlich wird Nanuk kurz vor dem Prozess nach Sachsen verlegt; ein Transfer von und nach Berlin mindestens einmal die Woche wurde als nicht durchführbar bewertet. Die Verlegung, deren Datum noch unbekannt ist, stellt für Nanuk eine komplett neue Haftsituation dar. Neuer Knast heißt neue Möglichkeiten und neue Freunde, aber für die Familie und anderen Besuch bedeutet ein erheblicher Aufwand um ihn zu sehen.

Er freut sich dennoch, dass der Prozess endlich beginnt und sich nach einem Jahr warten endlich was tut.