Vor dem Gericht findet erneut eine solidarische Kundgebung statt. Schon ab 07:00 Uhr sammeln sich die 30-40 Genoss:innen und Freund:innen von Maja. Mit dabei sind leider auch deutlich mehr ungarische Bullen, die von Anfang an immer wieder meckern, weil ihnen die Musik zu laut ist. Vor zwei tagen hatte Orbán angekündigt, Antifa zu einer terroristischen Organisation zu erklären wonach die Regierung hat in ihrer Sitzung am Mittwoch einen
entsprechenden Beschluss fasste – somit gelten alle Anwesenden wohl nun als potenzielle Terrorist:innen. Zusätzlich nerven 8 Faschos, von denen drei unsere Kundgebung und all jene Personen dauerhaft filmen, die das Gericht betreten und verlassen. Sie tragen ihr großes altbekanntes Banner „Antifa scum attacking from behind – get out of our country“. Ein Bulle fotografiert und filmt uns ebenfalls, augenscheinlich mit seinem privaten Smartphone. Im Saal fotografiert ein ungarischer Fascho-Blogger frontal die Besucher*innenbänke ab.
Trotz der ganzen Nerverei – die „Free Maja“ Rufe von draußen werden für alle Zuschauer:innen und vor allem für Maja die gesammte Verhandlung lang im Gerichtssaal zu hören sein.
Der Prozess beginnt gegen 09:00 Uhr. Maja wird in den Saal hereingeführt – erneut mit Leine um den Bauch, begleitet von drei vermummten Beamten – einer davon mit Maschinengewehr.
Maja liest zu Beginn der Verhandlung eine Erklärung vor. Täglich werden von Gefangenen verlangt, sich nackt zu entkleiden um durchsucht zu werden – nach Hofbesuchen, Arztbesuchen
oder Einkäufen. Diese Praxis beschreibt Maja als zutiefst erniedrigend, gerade wenn sie von Fremden durchgeführt wird, die Maja absichtlich beim falschen Namen nennen und auslachen, während Maja nackt vor ihnen steht. Maja hat sich daher entschieden nicht länger die Unterhose auszuziehen. Dies wurde schon bereits mehrfach akzeptiert. Am Dienstag (23.09.) aber, nachdem Maja von einem dauerhaft überwachtem Familienbesuch inklusive Trennscheibe zurückkam, bestand der Beamte darauf, dass Maja die Unterhose ausziehen muss, obwohl Maja mehrfach abgetastet wurde und zusätzlich durch einen Metallscanner überprüft wurde. Maja hat die Beihilfe zum Unterhose ausziehen verweigert, dann Handschellen angelegt bekommen und wurde schließlich mit Schmerzgriffen zur Krankenstation geführt um dort von 6-8 Beamten mit
Schmerzgriffen fund Gewalt die Unterhose entfernt zu bekommen. Maja war minutenlang nackt zwischen Beamten, Ärzten und Krankenschwestern – mit Schmerzgriffen fixiert. Maja musste anschließend mit Handschellen 45min im Gang stehen und auf die Einleitung eines Disziplinarverfahrens warten. Solche Situationen hinterlassen bei Maja jedes Mal Narben. Die Beamten sagen es sei Recht, aber Maja sagt, es sei wenn dann ein Recht, was Menschen entwürdigt
und bestraft. Maja betont, dass Maja durch die Verweigerung, auch die Unterhose auszuziehen, lediglich versucht, die eigene Würde zu bewahren.
Majas Verteidiger untermauert diese Ausführungen noch einmal juristisch: vor der Auslieferung sei ihnen zugesichert worden, dass EU-Recht eingehalten wird und benennt dass diese Praxis
gegen die europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Speziell für Maja gebe es eine „Sonderverfügung“ des Gefängniskommandanten nach Art. 53 Absatz 5 Strafgesetz gibt, die besagt, dass die besonders hohen Sicherheitsmaßnahmen bei Maja angewendet werden dürfen, aber dies nur auf befristete Zeit gilt und dass die inhaftierte Person diese Verfügung schriftlich vorliegend haben muss und laut den Vorschriften auch Rechtsbehelfe vorgesehen sind. Am Ende fordert er die schriftliche Übermittlung von Untersuchungsergebnisse an, auf die das Gericht sich bezieht und in denen stehen soll dass die geistige Verfassung von Maja zufriedenstellend ist. Laut Anwalt, sei es aber überhaupt nicht klar, wie oder wann das festgestellt wurde.
Der Richter spricht nun über die Immunität von Ilaria: Im EU-Parlament soll im Oktober noch ein weiteres Mal über Ilarias Immunität abgestimmt werden, nachdem bei der Entscheidung am 23.09. dem Antrag Ungarns, Ilaria die Immunität zu entziehen, nicht zugestimmt wurde. Ilaria behält erstmal ihre Immunität. Sollte Ilaria weiterhin immun bleiben, dann stellen sie das Verfahren gegen sie vorerst ein. Danach liegt es wieder bei der Staatsanwaltschaft, welche später darüber entscheiden wird, ob eine neue Anklage gegen Ilaria erhoben wird.
Wir kommen zu den Zeugenvernehmungen. Eine Angestellte des Ladens/Supermarkts Prima, vor dem der eine Tatort war, berichtet von dem Angriff einer vermummter Gruppe. Sie kann niemanden genau erkennen oder Aussagen zum Alter, Gesicht, Geschlecht etc. machen.
Der Richter gibt bekannt das Geschädigte gefragt wurden, ob sie bleibende Gesundheitsschäden haben. Lipták Tamás Pál hat keine und er kann auch von den ihm vorgelegten Fotos der vermeintlichen Angreifer:innen keine erkennen. Auch bei László Dudog sind keine schweren Gesundheitsschädigung im Zusammenhang mit der Tat feststellbar.
Es werden (wie so oft in diesem Verfahren) Kameraaufnahmen gesichtet. Sie sind extrem klein, können angeblich nicht vergrößert werden, meistens extrem unscharf, dunkel oder
stark verpixelt. Über die Personengruppe wird nie als „Beschuldigte“, sondern immer als „Täter“ gesprochen. Generell werden die Videos so kommentiert, als wäre immer völlig klar zu erkennen, dass man mit diesen Videos Wege von oder zu Taten nachweisen kann, obwohl man teilweise nur Teile von Gestalten sieht, die an irgendeinem random Auto langgehen.
Sabine Brinkmann wird via Videoschalte ein zweites Mal in diesem Verfahren befragt.
Sie berichtet von einem Überfall inkl. starkem Pfeffersprayeinsatz vor ihrer AirBnB-Wohnung auf Robert Fischer und sie. (Hier findet ihr Infos zu den angegriffenen Nazis https://www.basc.news/die-vermeintlichen-opfer-im-budapest-verfahren/). Nach eigener Angabe fand Sabine ja nur besonders den „Sportaspekt der Veranstaltung interessant“ – sprich den Marsch des Tags der Ehre. Sie berichtet auch von einem Konzert einer schweizer Sängerin namens „Ewiger Sturm“. Sie erklärt an dieser Stelle nicht weiter, was es mit dieser Künstlerin auf sich hat, aber eine kurze Recherche bringt uns zu ihrem früheren Social Media Namen „Edelweiss 88“, einem Interview für den III. Weg und einer darin enthaltenen Erklärung, das der Name „Ewiger Sturm“ für „die Wut, die sie in ihrem nationalistischen Kampf antreibt“ steht. Klingt nach dollem Nazi-Rock – kein kuscheliges Konzert, auf das man Touri-mäßig gehen würde.
Während der Pause wird einer Bundestagsabgeordneten der Linken persönlicher Umgang mit Maja gewährt.
Es wird weiteres Videomaterial gesichtet. Dieses Mal sind die Aufnahmen ein bisschen größer, aber viele können oder sollen immer noch nicht im Vollbildmodus gesehen werden. Das Anschauen des Videomaterials verläuft sehr chaotisch, oft sieht man nicht das, was man laut Bericht in den
Aufnahmen sehen soll, in den Aufnahmen sind Gesichter nicht klar erkennbar, alles ist in hundert
verschiedenen Ordnern und muss ständig minutenlang gesucht werden.
Nach einer verfrühten Mittagspause (erneut gab es Technikprobleme) wird Maja hereingeführt und dabei von einem ungarischen Faschoblogger abfotografiert. Trotz Anmerkung einer anderen Zuschauerin und entgegen der richterlichen Vorankündigung alle Zuschauer:innen des Saales zu verweisen, sollten diese fotografieren/filmen, verbleibt der Fascho im Saal und der Richter
verweist lediglich darauf, dass sich alle Zuschauer:innen an die Fotoregeln halten müssen,
weil sonst alle Zuschauer:innen des Saals verwiesen werden würden.
Es wird ein Bericht des LKA Sachsen untersucht, welcher zur Identifizierung vermeintlicher Angreifer:innen u.a. Maja beitragen soll. Maja wird während dieses Prozederes dauerhaft mit falschem Namen angesprochen. Irgendwann weißt Majas Schwester aus der Zuschauer:innenschaft das Gericht darauf hin. Die Dolmetscherin aber übersetzt es gar nicht erst für den Richter, sondern vergisst scheinbar ihre Rolle und schnaubt uns an, dass es Zuhörerschaft heißt, weil nur zugehört werden darf und das Gericht sehr wohl wisse, was Majas richtiger Name zur Zeit der Erstellung des Berichtes war. Der Richter droht, dass bei noch einem Laut die gesamte Zuhörerschaft den
Saal verlassen muss – das übersetzt die Dolmetscherin dann auf deutsch.
Alles in dem Bericht des LKAs zusammen mit den Aufnahmen ist so dargestellt, als würde es komplett eindeutige Zusammenhänge geben über Bewegungen und Zeiten auf den Videoaufnahmen und dass die Gruppe immer alles genau geplant hat (Ausspähen an der Markthalle, im Bus, …). Dabei ist dies NIE genau zu sehen und es wird auch in keiner Art und Weise von irgendwem im Gericht hinterfragt. Der Richter stellt die ganze Zeit seine „Beweise“ (Videoaufnahmen, übersetzte LKA-Dokumente) vor und niemand sagt etwas dazu. Es bleibt ein komisches und machtloses Gefühl.
Maja kann zum Schluss mit zwei Angehörigen kurz reden.
