Starke Opening Statements in Dresden

Am Dienstag, den 25.11.2025 ist das Großverfahren gegen sieben Antifas am OLG in Dresden gestartet. Dieser Prozess ist eins der größten Verfahren gegen deutsche Antifas, auf den noch weitere folgen. Es wird deutlich: bei diesem Prozess sind nicht nur die sieben Angeklagten gemeint, es geht um die gesamte antifaschistische Bewegung. Dieser Prozess ist ein politisches Signal. Sowohl in den Opening Statements der Verteidiger*innen, als auch in den Erklärungen einzelner Angeklagter wird das deutlich herausgearbeitet und kritisiert. Auch ein Antrag auf Einstellung des Verfahrens aus diesen Gründen wird an einem der ersten beiden Tagen gestellt.

Doch schon lange vor Prozessbeginn wurden die angeklagten Antifas vorverurteilt. Der Senat besteht aus Richter*innen, die schon im ersten Antifa-Ost-Verfahren beteiligt waren. Bereits in der Urteilsverkündung dieses ersten Prozesses wurden mehrere der nun Angeklagten immer wieder benannt. Insbesondere Johann wurde dort teilweise häufiger genannt als einige Verurteilten in diesem Prozess. In der Presse wird über sein bisheriges Leben spekuliert und das Bild eines Rädelsführers gezeichnet. Es geht in den Medien nicht darum, dass er noch gar nicht verurteilt wurde, sondern nur darum, wie hoch die Strafe ausfallen wird. Auch der Alltag in der U-Haft zeigt ein ähnliches Bild: starke Einschränkungen in allen (Sport-)Angeboten, strenge Überwachung und Schikane dienen schon vor einem Urteil als Strafe.

Auch für die Angeklagten, die nicht in U-Haft sitzen wird diese Vorverurteilung deutlich. Die Aufmachung dieses Prozesses steht in keinem Verhältnis zu den vorgeworfenen Straftaten. Gleich mehrere Angeklagte müssen sich nur für einen Bruchteil der vorgeworfenen Taten, die z.T. mehr als sechs Jahre zurückliegen, verteidigen. Trotzdem müssen sie neben Job, Familie und teilweise zusätzlichem Studium zweimal wöchentlich für mindestens 1,5 Jahre vor Gericht sitzen. Dieser Prozess gefährdet damit ganz konkret ihren Alltag, ihren Beruf und damit ihre Existenz. Das steht jedem Prinzip der Resozialisierung entgegen. Die bloße Teilnahme am Gerichtsprozess wird hier zur Strafe – unabhängig ob einer Verurteilung.

In den Opening Statements der Verteidiger*innen fast aller Angeklagten wird diese Vorverurteilung kritisiert, die Zusammensetzung der Angeklagten als willkürlich herausgestellt und die politische Dimension der Strafverfolgung herausgestellt. Als Problem wird hierbei nicht benannt, dass Straftaten nachgegangen wird, sondern dass bei Übergriffen auf Neonazis andere Maßstäbe gesetzt werden, als bei anderen Straftaten beispielsweise im Bezug auf sexualisierte Gewalt oder Polizeigewalt. Auch der Fokus auf die staatliche Sicherheit wirkt fadenscheinig, nicht nur inhaltlich, sondern schon im Vergleich mit anderen Prozessen, wie jenen zum Magdeburger Weihnachtsmarkt, zur Freien Kameradschaft Dresden oder zur Weiterführung von Combat18, die allesamt vor Landgerichten verhandelt wurden und werden.

Aber auch inhaltlich ist es eine Farce, wenn militanter Antifaschismus als Faktor für gesellschaftliche Radikalisierung Rechtsextremer oder Beschädigung der inneren Sicherheit verstanden werden. Der Angeklagte Nanuk sagt dazu in seinem Opening Statement: „Es ist fraglich, ob Menschen, die in den westlichen Bundesländern oder in Großstädten sozialisiert und aufgewachsen sind, sich ein gerechtes Urteil von der Notwendigkeit des Selbstschutzes vor Rechtsextremisten im Osten der Republik bilden können.“ 

Wo Glatzen, Springerstiefel und Bomberjacken Standard waren, wo alternative Jugendliche so oft verprügelt wurden, dass man dachte, das sei normal. In einer Zeit, die als Baseballschläger-Jahre bekannt ist, in denen Übergriffe, Angriffe und Anschläge auf Migrant*innen und linke oder alternative Menschen zur Tagesordnung gehörten. In einer Zeit, in der diese rechtsextremen Taten und Gesinnungen mit rassistischer Hetze von Politiker*innen unterstützt und von Seiten staatlicher Behörden nichts unternommen wurde, um die Täter zu verurteilen oder die Taten aufzuklären. Wo die Polizei nicht kam, wenn man sie rief. Das Aufwachsen in einem Ostdeutschland der 1990er Jahre, bedeutet auch, das Aufwachsen mit Gewalt, Hass und Hetze. 

Davon zu sprechen, dass es Glück oder Vorsicht war, nicht mit schweren Verletzungen oder dem Tod geendet zu haben. Bedeutet, von Brandanschlägen auf die eigenen Veranstaltungen zu berichten und davon, dass die Polizei dir sagt, es ist ja nichts passiert. Beim Verlesen der Erklärung mit Tränen kämpfen zu müssen, weil man von bekannten Jugendlichen im gleichen Alter erzählen muss, die brutal von Nazis ermordet wurden, während man selbst überlebt hat. Zu berichten, wie der einzige schwarze Jugendliche im Ort getötet wurde. Zu berichten, dass Nachbar*innen Gelder für einen Neonazi gesammelt haben, damit er ein geplantes Heim für Geflüchtete anzündet und dass einen Tag bevor Geflüchtete einziehen sollten, das Haus tatsächlich brannte. Mit diesen Erfahrungen aufzuwachsen, bedeutet auch, mit der Frage aufzuwachsen, wie mansich gegen Faschist*innen wehren kann. Und wehren muss.

Ein Angeklagter betont in seinem Opening Statement: „Auf dem Land waren diese Baseballschlägerjahre nie wirklich weg.“ Ein weiterer Angeklagter fügt in seinem Opening Statement hinzu: „Vor allem für Menschen im ländlichen Raum sind die Schlagzeilen Alltag.“ Ausschreitungen und Attentate wie in Heidenau, Halle, Hanau, auf Walter Lübke, die Mordserie des NSU, und eben auch Faschisten wie Leon Ringl und Knockout51 würden zeigen, dass „die faschistische Gefahr ist keine abstrakte oder vergangene – sie ist real, organisiert und eine unmittelbare Bedrohung für all jene, die sich für eine offene, solidarische Gesellschaft einsetzen.“

Mit Hannah Arendt kann man an dieser Stelle sagen: „Die größte Gefahr für die Freiheit ist die Gleichgültigkeit“. Diese Freiheit gilt es, immer noch und immer weiter, zu verteidigen.

Weitere Angeklagte vor dem OLG Dresden führen in ihren Opening Statements aus: „Die alltägliche Gefahr für viele Menschen geht von neonazistischen Akteuren aus. Wenn sich diese Strukturen zum Ziel gesetzt haben, die Durchsetzung von rechter Hegemonie und No-Go-Areas mit Gewalt zu erreichen, hat dies nichts mit freier politischer Meinungsäußerung zu tun.“ Solang der Staat da nicht aktiv wird, müssen sich Leute selbst wehren. „In Angriffen auf Nazis eine gesellschaftliche Radikalisierung zu imaginieren, verkennt die Wahrheit, dass Faschisten schon davor Faschisten waren.“ Außerdem: „Antifaschist:innen generell als Staatsfeinde darzustellen blendet aus, dass Faschismus und Gewalt untrennbar miteinander verbunden sind. Antifaschismus heißt, eine gewalttätige Ideologie, zu bekämpfen.“ 

Danke an die Verteidiger*innen, vor allem aber an Tobi, Julian und Nanuk für ihre starken und klaren Worte.

Unterstützt die Angeklagten des Antifa-Ost-Komplex-Verfahrens vor dem OLG in Dresden und kommt zur solidarischen Prozessbegleitung! Solidarische Menschen im Gerichtssaal zu sehen, stärkt die Gefangenen und anderen Angeklagten sehr und hilft ihnen, den Prozess durchzustehen. Lasst uns als Antifaschist*innen zusammenstehen und uns gegen diese überzogene Verfolgung antifaschistischen Engagements durch den Staat gemeinsam wehren!

Die Prozesstermine findet ihr hier: https://www.basc.news/uebersicht-prozesstermine-budapest-komplex-antifa-ost-komplex/